Freitag, Mai 25, 2007

"Wir haben gedopt, weil es moeglich war."

So, oder so aehnlich, haben es heute auf einer Pressekonferenz die beiden deutschen Radprofis Rolf Aldag und Erik Zabel ausgedrueckt. Und so kurios dieser Spruch klingt, so trifft es auch den Nagel auf den Kopf. Vor allem in den 90er Jahren schien Doping im Radsport gang und gebe zu sein. Die populaerste Methode war EPO, das erst in den letzten Jahren nachweisbar wurde. Und da es eben nicht bzw. erst Jahre spaeter nachweisbar wurde, war durch die geringe Chance erwischt zu werden, auch das Verlangen nach Doping da. Um mit zu halten, musste man eben dopen.

Heute war das Doping Thema in der zdf-Talkshow Maybrit Illner und da war eben unter anderem auch Rolf Aldag zu Gast. Schnell ging es da nicht nur um das Doping im Radsport, sondern im Sport allgemeinen. Mir wurde nun erstmals bewusst, wieviel da im Argen liegt. Doping-Kontrollen finden zwar statt, doch die Chance erwischt laege laut Aldag bei 1:2000. Wo ist da bitte die Abschreckung?
Fuer alle Experten in nRunde scheint fest zu stehen, dass Doping im Hochleistungssport schon lange System ist. Mag wohl so sein. Vor allem im Radsport und im Gewichtheben ist wohl der dopingfreie Sportler die Ausnahme. Und ich neige dazu Frank Busemann (ehemaliger Silbermedaillengewinner bei olympischen Spielen im Zehnkampf und heutige Doping-Vertrauensperson des DSOB) zuzstimmen, dass es eben schon zu Beginn des Hochleistungssport systematisch losgeht. Zabels Aussage, nur eine Woche lang, EPO getestet zu haben, sei eher aussergewoehnlich, weshalb er der Aussage auch kaum Glauben schenken koenne. Wenn tatsaechlich das Doping so frueh beginnt und schon teilweise direkt nach der Juniorenzeit systematisch eingesetzt wird, klingt Zabels Aussage wirklich ein wenig unglaubwuerdig.

Im Grunde ist es der Sportler, der zum Doping greift und auch Aldag bestaetigte, dass die Hauptlast des Druckes, der auf einem Hochleistungssportler lastet, selbst erzeugter Druck ist. Von dem her, muss natuerlich der Hauptantrieb zur Einnahme von Doping von dem Sportler selbst kommen. Aldag beschrieb es in der Pressekonferenz ja sehr passend:
"Irgendwann 1994 hat Rolf Aldag bei einer großen Landesrundfahrt auf einem Rinnstein gesessen mit vier Mann, abgehängt und abgeschlagen und hat sich überlegt, was passiert hier eigentlich. Und dann bin ich für mich zu dem Entschluss gekommen (...), habe aktiv nachgefragt nach Doping-Produkten."
(Quelle: zdf)
Dennoch darf sich auch das Umfeld nicht ganz von der Schuld befreien. Dieter Gruschwitz, Sportchef des ZDF's sagte es treffend: "Wir alle haben uns doch im Ruhm der Sportler gesonnt."
Das ist ein Punkt, der in meinen Augen wohl eine - zwar untergeordnete , aber dennoch teilentscheidende - Rolle spielt. Denn man darf den oeffentlich erzeugten Druck, auch wenn er nur eine Teilerscheinung ist, nicht unterschaetzen. Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes wurde sogar indirekt kritisiert, im Vorfeld der olympischen Spiele, zuviele Medaillen von den Sportlern zu verlangen. Im Mittelpunkt solle die Teilnahme stehen.
Die Medien verlangen gute Ergebnisse, um die Einschaltquoten zu verbessern. Der Sponsor unterstuetzt die Sportler auch, um einen Profit herauszuschlagen. Natuerlich steht keiner der angesprochenen Personen eines Tages vor der Tuer und hat gefordert, der Sportler muesse nun dopen, aber ganz ohne Schuld sind diese Teilaspekte natuerlich auch nicht. Schliesslich verfolgen sie auch ihre eigenen Interessen.

Was also tun gegen Doping? Eine komplette Loesung gibt es natuerlich nicht. Vesper ruehmte sich mit den erreichten Errungenschaften, wie zum Beispiel die Errichtung des Doping-Vertrauenmanns Frank Busemann. Britta Bannenberg, Korruptionsexpertin und die Person, die Anzeige gegen Jan Ullrich vorgebracht hat, widersprach dieser Einrichtung sofort. Kein Doping-Suender wuerde sich bei Busemann melden, solange er zum Beispiel keine Immunitaet versprechen kann. Bannenberg plaedierte fuer staerkere Gesetze, die die Abschreckung verstaerken sollte.
Aldag forderte bessere Kontrollen, auch wenn die Kontrollen Fortschritte gemacht haetten. Diese wuerden aber in Deutschland alle nichts bringen, wenn nachher sieben Kasachen an der Spitze der Tour de France stehen wuerden, widersprach Gruschwitz. "Solange keine einheitliche internationale Loesung gefunden werden wird, wird sich auch nichts aendern." Aldag gab ihm daraufhin recht: "Wir brauchen keine gluecklichen Verlierer."

Das groesste Problem des Dopings ist aber, dass die Taeter immer einen Schritt voraus sind. Wie sollen Anti-Dopingjaeger gegen etwas vorgehen, von dem sie noch nicht einmal die Ahnung haben, dass es existiert? EPO konnte in den 90ern nicht nachgewiesen werden, heute kommt raus, wieviel Sportler mithilfe von EPO dopten. Die Zahl ist mehr als nur erschreckend. Ehrlich gesagt will ich nicht wissen, was 2010 raus kommt, wenn ploetzlich ganz neue Methoden nachgewiesen werden koennen.

Was haben wir aus dem Tag gelernt? Sportjournalisten haben natuerlich die Dollarzeichen in die Augen bekommen. Der Sport selbst, allen voran der Radsport, hat unglaublich gelitten, obwohl theoretisch nichts wirklich Neues herauskam. Was nuetzen zwei reuige Profisportler, wenn die Anti-Doping-Institutionen nichts ueber das System, das Netzwerk und die neuesten Methoden erfahren haben? Zabel und Aldag moegen nun ein reines Gewissen haben und mit Sicherheit war es schwer, ihre Tat zu gestehen, sowie es fuer uns alle schwer ist, eigene Fehler in der Oeffentlichkeit zu gestehen. Dafuer kann man ihnen zumindest ein wenig Respekt beimessen. Ob es nun aber Zufall oder doch Berechnung war, dass diese Taten erst nach Verjaehrung gestanden wurden, bleibt offen. Beide meinten, fuer diese Fehler einstehen zu wollen, doch Busemann hat es ziemlich gut ausgedrueckt: Mit dem Wissen, dass sie eventuell alle ihre Praemien zurueckzahlen muessten, haetten sie sich diese Aussage bestimmt zwei Mal ueberlegt.
Mich persoenlich hat der Tag nicht positiv oder negativ gestimmt. Der Radsport war bei mir eh schon tot. Nur die Gewissheit, dass eben im gesamten Sportbereich (nach Aussage der Experten bei Illner sogar im Breiten- bzw. Seniorensport) der Virus "Doping" grassiert, macht mich aergerlich und nimmt mir doch ein wenig den Spass am Sport. Ob die Doping-Verantwortlichen das so bezwecken, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.

(Music: Interpol - A Time To Be So Small)

Blubb!
Chris

1 Comments:

Blogger Chris said...

Noch ein interessanter Beitrag zum Thema in der Zeit:

http://www.zeit.de/online/2007/22/bg-doping-sport?1

5:05 PM  

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