Mittwoch, Mai 09, 2007

La Laberinto del fauno (Pan's Labyrinth)

Achtung, in diesem Beitrag sind einige Spoiler zu finden. Vor allem das Ende werde ich eingehend betrachten. Solltet ihr den Film also noch nicht gesehen haben, aber ihn noch sehen wollen, empfehle ich dringendst, diesen Beitrag NICHT zu lesen!

In Pan's Labyrinth geht es um Ophelia (Ivana Baquero), die kleine Tochter der schwangeren Carmen Vidal (Ariadna Gil), die zu Beginn des Films zu ihrem Stiefvater Capitan Vidal (Sergi Lopez) aufs Land zieht. Doch dieser Landsitz, der sich als ein Vorposten des faschistischen Franco-Regimes zur Vertreibung der Guerillakrieger kurz nach dem spanischen Buergerkrieg herausstellt, hat etwas ungewoehnliches an sich. Schon bald begegnet Ophelia einer Fee, die sie in ein nahegelegenes Labyrinth fuehrt. Dort trifft sie auf einen Pan (Doug Jones), der in Ophelia die Seele der Prinzessin eines unterirdischen Reiches entdeckt. Um zu beweisen, dass sie es wirklich ist, muss sie drei Pruefungen bestehen - und das zu einer Zeit, in der ihr Stiefvater mit ungewoehnlicher Brutalitaet gegen die Widerstaendler vorgeht...

Wenn ich eine Punktzahl fuer den Film vergeben muesste, waere sie auf jeden Fall im oberen Drittel angesiedelt (7-8/10). Das liegt vor allem an der emotionalen Tiefe des Films, die durch die tragenden Hauptdarsteller, die schon fast ubertrieben naturalistisch agieren, erst entsteht. Die Schauspieler wirken so kalt und emotionslos, weil der Film in einer Zeit spielt, in der die Gefuehle oftmals zweitrangig waren. Carmen Vidal, die Mutter Ophelias, ist das beste Beispiel dafuer. Ihre Gefuehlslosigkeit und Angst spiegelt sich oftmals in ihren nichtssagenden Gesichtsausdruecken wider. Ein weiteres Indiz ist die Essen-Szene, in der Carmen beschreibt, wie sie ihren Mann kennenlernt, der fuer diese emotionale Geschichte jedoch keine Wertschaetzung hat ("Verzeihen Sie meiner Frau. Sie meint, dass solche Geschichten von Belang waeren."). Emotionen sind in einem von oben kontrollierten Staat nicht von Belang. Es geht um Kontrolle und Gehorsam...

Trotzdem hat mich der Film thematisch ueberfordert, da ich zuvor zum einen ein Zitat von Regisseur Guillermo del Toro ("Faschismus ist die absolute Perversion der Unschuld") las, sowie zum anderen die Einschaetzung von cinema-Redakteur Phillip Schulze sah ("Ein nachdenklicher Film ueber den Sieg der Unschuld ueber die Tyrannei"). Nun ja, wie der Faschismus die Unschuld der kleinen Ophelia pervertiert, spiegelt sich perfekt in der Beziehung des Maedchens zu ihrem Stiefvater wieder. Allein die Begruessung durch Ophelia ist eine phantastische Referenz zu diesem Thema. Wie kann sie es als achtjaehriges (?) Maedchen nur wagen, seinem Stiefvater die linke Hand zu reichen. Andere Dinge sind die Versuche von Capitan Vidal, sowie ihrer Mutter, sie vom Lesen der Sagenbuecher abzuhalten. Kurioserweise sind aber das noch die Dinge, die sie in der pervertierten, gefuehlskalten und brutalen Welt noch am Leben halten (siehe auch unten). Dem Zitat von del Toro kann ich also noch folgen, doch betrachtet man das Ende, ist die Aussage Schulzes leider nicht mehr ganz so einfach zu deuten. Denn wo bitte gewinnt denn Ophelia am Ende?

Nach einer kurzen Diskussion mit Freunden ueber das Ende, kamen wir uebereinstimmend zu der Ansicht, Ophelia stirbt am Ende tatsaechlich, da sie sich die ganzen Fabelwesen nur ausgedacht hat. Diese Illusion dieser Welt, in der sie Prinzessin sein koennte, wenn sie nur drei Aufgaben loest, war ihr Zufluchtsort an einen besseren Ort. Somit konnte sie der brutalen Realitaet in eine Welt entfliehen, in der es jedem gut sehen sollte. Wenigstens fuer einen Moment schaffte sie es - ganz kurz vor ihrem Tod.
Diese Idee sich eine zweite Realitaet aufzubauen, um seiner Realitaet zu entfliehen, ist natuerlich nicht besonders revolutionaer oder neu (Fight Club - Fincher, 1999). Ueberraschend kommt dieses Ende dennoch. Denn vieles in diesem Film weist eben auf das wahre Bestehen dieser Welt hin. Zum Beispiel das Buch oder die Kreide, die sie vom Pan, der dieser Auffasung zugrunde nur eingebildet ist, bekommt. Genauso, wie die Wurzel, die in Milch getraenkt und mit Blut gefuettert die Mutter heilen sollte, auch real ist.
Diese Dinge existieren im wirklichen Leben. Woher sie Ophelia dann auch im wahren Leben bekommen sollte, bleibt aber leider offen und ist auch einer der wenigen Schwachpunkte des Films. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Dummheit des Charakters Vidal. Ich meine, da versichert ihm seine Angestellte Mercedes (Maribel Verdu), dass es nur einen Schluessel fuer die Vorratskammer gibt. Und dann muessen die Rebellen aber das Schloss nicht aufbrechen, um daran zu kommen. Ich meine, wer haette sonst diesen Schluessel haben koennen, wenn nicht Mercedes? Ansonsten hatte er ja eh einen Drang zum Sadismus und eine Folter der Dame waere ihm mit Sicherheit schon zu einem frueheren Zeitpunkt nicht schwer gefallen.
Dritter und letzter ansprechbarer Schwachpunkt ist die plumpe Gestaltung der 3D-Animation. Das sah mir so aus, als sei das Team von "Nochnoy Dozor" (Bekmambetov, 2004) hier wieder am Werk gewesen. Vor allem die kleinen Raupen/Kakerlaken, sowie die Kroete unter dem Baum, sahen zu glatt und zu sauber aus, um wirklich beeindrucken zu koennen. Vielleicht war es ja Absicht, um die Surrealitaet des ganzen zu verbildlichen. Schliesslich waren die Fabelwesen ja nur eine Illusion von Ophelia. Und somit diese Animationen eben auch nur ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Alles in allem ist Pan's Labyrinth ein Film, der uns zeigt, dass die Unschuld des Menschen uns erst am Leben halten kann, weil sie uns aufgrund ihrer Phantasie einen Ausweg aus der echten, brutalen und pervertierten Welt gibt, die wir ohne unsere Phantasie, Traeume und Wuensche ueberhaupt nicht ertragen koennten. Erst durch den Verlust durch die Unschuld, verlieren wir auch unsere Phantasie, Traeume und Wuensche. Wie hier Schulze die Tyrannei, die dadurch besiegt werden koennte, unterbringt, bleibt mit weiterhin ein Raetsel.

(Musik: Kettcar - Volle Distanz)

Blubb!
Chris

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Gute Kritik, Herr Kruppa. Ich hab mir allerdings keine Gedanken darüber gemacht, wie die ganzen Gegenstände in die Geschichte passen, ich denke so tolerant muss man sein. Ich hab allerdings auch nicht die Armbanduhr in Ben Hur bemerkt ;)

8:58 AM  
Anonymous Anonym said...

Die Gegenstände findet sie so und bildet sich nur ein, diese vom Pan erhalten zu haben. So ist die Zauberwurzel in der Milch letztenendes eine ganz normale Wurzel, und die mit der Kreide gezeichnete "Tür" auch bloß ein weißes Viereck. Schade eigentlich, ich persönlich hätte gerne an die Geschichte mit dem Pan geglaubt... Wer am Ende gewinnt: Die Rebellen, die den bösen Kapitän besiegen; und die Phantasie gewinnt auch, allerdings nur für den Zuschauer. Ophelia gewinnt leider gar nichts.

12:16 AM  
Blogger Chris said...

Entschuldigung Niko, die Erklaerung mit den Gegenstaenden ist fuer mich aber eher beholfen als helfend. Das hoert sich fuer mich aehnlich an, wie die Erklaerung, warum Anakin Skywalker in Episode III zu Darth Vader wird... Aber gut, macht ja nichts...

Klar gewinnen die Rebellen, aber es ging ja um den Sieg der Unschuld ueber die Tyrannei. Ich sehe aber keine Unschuld bei den Widerstaendlern. Vielleicht sind sie unschuldiger als die boesen Faschisten, aber sie toeten ja auch Menschen, oder nicht?

12:15 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home