Dienstag, Juli 11, 2006

"Allez Les Bleus", "Italia" und "Deutschland!"

Plitsch - Platsch, Plitsch - Platsch! Die U-Bahnen waren überflutet, die Fan-Meile schwamm beinahe davon und es regnete immer mehr. In der Ferne grollten Donner, Blitze zuckten. Und wir?
Wir saßen in einem Lokal - unser Gepäck, bestehend aus vier Taschen und zwei Schlafsäcken hatten wir neben uns abgestellt. Wir aßen Zwiebel-Lauch-Quiche, Schnitzel und Hawaii-Toast
und waren nach sieben Stunden Anfahrt endlich in Berlin angekommen. Und wir erwarteten eigentlich blühenden Sonnenschein, abends ein Konzert von unter anderem Xavier Naidoo, Wir sind Helden und den fantastischen Vier. Doch, wie sich später herausstellte, wurden diese Konzerte alle abgesagt - wegen des Unwetters. Und so liefen wir dann nur über die Fanmeile. Wobei Meile schon fast verniedlichend ist. Vom Brandenburger Tor bis hin zur Siegessäule sind es über zwei Kilometer und dazwischen standen tausende von Menschen - obwohl gar kein Programm stattfand. Und immer wieder hingen Leinwände - so um die 15 - 20 waren es bestimmt - auf denen folgendes stand: "Leider - wegen des Unwetters - musste zur Sicherheit aller die Show abgesagt werden."
Egal, Berlin hat außer der Fanmeile und Xavier Naidoo auch viel mehr zu bieten. Zum Beispiel den Kurfürstendamm, dachte meine Schwester und so gingen wir am nächsten Tag einkaufen. Nun ja, sie ging, wir schlenderten über den Damm, machten Fotos, genossen den strahlenden Sonnenschein und beobachteten mehrere "Scientology Volunteer Minister" (was der Titel wohl gekostet hat?!) bei ihrer "Arbeit".
Ansonsten stand auch der Ku'damm schon ganz im Zeichen des sich ankündigenden Spiels um Platz drei zwischen Deutschland und Portugal. Deutschland-Fahnen in der Hand, im Gesicht und natürlich auch am Auto. Und so fanden wir uns auch um etwa 18 Uhr (Anmerkung: 3 Stunden vor dem Spiel) an der Fanmeile ein. Aber an der ersten Leinwand gab es schon keinen zufriedenstellenden Platz mehr. Ich dachte eigentlich, am Vorabend sei schon einiges los gewesen. Aber, was sich hier tumelte, war enorm. Und natürlich dominierten auch hier die Deutschland-Fahnen. Und immer wieder zwischendurch übten die Fans mit dem Moderator auf der Bühne die Namen der deutschen Nationalmannschaft, die ja am nächsten Tag gebührend empfangen werden sollten. Komisch, dass es immer wieder statt Jens Nowotny zwei Jens Lehmann gab und Thomas Hitzlsperger nur Thomas hieß.
Während dem Spiel war natürlich eine Bombenstimmung, es war zwar eng, aber einfach grandios. Aber mein persönliches Highlight war ein einsamer portugiesischer Fan, der mit seiner Flagge nahe an unserer Position vorbeilief. Die ersten Schmährufe wandelten sich bald in einen leisen, aber immer lauter werdenden Applaus - Respekt für den Gegner zollen. Das gehört sich einfach, ist aber nach dem unglücklichen Italien-Spiel zu oft zur Nebensache geworden. Und die Frage bleibt eben, was wäre gewesen, wenn die Deutschen verloren hätten?! Bestimmt kein Applaus, obwohl er es dann noch mehr verdient hätte.

Die deutsche Nationalmannschaft wurde am Sonntag in den Urlaub verabschiedet. Von 600 000 Fans sprachen Frau Lierhaus und Herr Kerner immer wieder. Und wir standen an der drittletzten Leinwand der Fanmeile. Die Hölle war trotzdem los. Es gab doch nicht einmal ein Spiel. Die Begeisterung war aber grenzenlos und mittlerweile kannten die Fans auch Jens Nowotny und Thomas Hitzlsperger. Dass Fussballer Gott sei Dank für das Fussball spielen bezahlt werden, bewies Podolski, der auf die Frage, was die Zahl 82 Mio. auf dem Rücken bedeutet, antwortete, dass es eben eine beeindruckende Zahl sei und deshalb auf dem Rücken seinen Platz fand.

Nach dem Mittage... nun ja, Nachmittagessen ging es dann ins Stadion. Und wir waren so ungefähr die fünften. Nun ja, zumindest fühlten wir uns so, als das Stadion noch beinahe menschenleer war. Das Vorprogramm war für die Katz, weil wir weder Shakira noch Toni Braxton richtig sahen und uns eh viel lieber auf die warm machenden Mannschaften konzentrieren wollten. Das Spiel war nichts berauschendes, aber die Stimmung teilweise toll bis grandios. Allez Les Bleus, Italia und Deutschland waren die beliebtesten Sprechchöre und eine La-Ola-Welle fand den Weg drei Runden durchs Stadion. Habe noch nie bei einem Live-Spiel eine solch beeindruckende Atmosphäre erlebt. Die Pfiffe gegen die Italiener und die Schiedsrichter nach Zidanes Platzverweis waren ohrenbetäubend (vor allem deshalb, weil nie eine Wiederholung zu Zidanes Aktion auf der Leinwand lief).
Und am Schluss war es Gänsehaut pur, als Fabio Cannavaro den Pokal in den Himmel streckte, ein gigantisches Feuerwerk entfacht wurde und die vielen angereisten Italiener pures Glück empfanden. Das Blitzlichtgewitter war schon fast ein eigenes Feuerwerk. Einfach grandios und ein Erlebnis, das unaustauschbar bleibt.

Und wir? Uns blieben acht Stunden Autofahrt am nächsten Tag. Die italienischen Autos konnte man nicht zählen, aber bis Nürnberg hatte bienahe jedes zweite Auto ein italienisches Kennzeichen.

Blubb!
Chris